Durchleuchtet: Röntgenstrahl enthüllt Archimedes älteste Schriften

Uwe Bergmann, SLAC National Accelerator Laboratory, Stanford

Archimedes von Syrakus (287–212 v. Chr.) wird zu einem der brillantesten Denker aller Zeiten gerechnet. Versteckt unter Schimmel, Fälschungen und biblischen Texten eines mittelalterlichen Gebetsbuchs liegen die ältesten erhaltenen Kopien von sieben der Abhandlungen des griechischen Genies, drei davon einzigartig. Das berühmte Buch, bekannt unter dem Namen Archimedes Palimpsest, wurde vor mehr als 100 Jahren erstmals entdeckt, verschwand dann und galt als verloren, bis es später in Paris auftauchte und 1998 von einem anonymen amerikanischen Milliardär ersteigert wurde. Zehn Jahre lang war es dem Walters Art Museum in Baltimore ausgeliehen und das Objekt einer umfassenden Kampagne von Konservierung und Rekonstruktion.

Große Teile der noch verborgenen Schriften wurden mit modernen optischen Methoden ans Licht gebracht, und dennoch blieben einige wichtige Abschnitte von zwei der bedeutendsten Abhandlungen im Dunkeln. In den letzten Jahren gelang es Wissenschaftlern dann endlich, mit Hilfe eines intensiven, haarfeinen Röntgenstrahls die schwachen Spuren der zumeist ausgelöschten und verdeckten Tinte wieder sichtbar zu machen. Der Vortrag beschreibt die faszinierende Reise eines über 1000 Jahre alten Pergaments, von seinem Ursprung im antiken Konstantinopel bis an das Strahlrohr eines modernen Synchrotrons beim SLAC National Accelerator Laboratory an der kalifornischen Universität Stanford. Seit 2009 betreibt SLAC auch den weltweit ersten Laser für harte Röntgenstrahlung, mit dem in Zukunft Filme von ultraschnellen Prozessen in Molekülen gedreht werden können. Archimedes wäre begeistert.