Der Helmholtz-Preis 2022: Präzisionsmessungen in der Grundlagenforschung

Die Preisträger mit Prof. Dr. Cornelia Denz, Vorsitzende des Helmholtz-Fonds e. V.

Präzisionsspektroskopie für die großen Fragen der Physik
Es gibt einige fundamentalen Fragen in der Physik: Sind Naturkonstanten konstant? Gibt es genau vier Kräfte? Was ist dunkle Materie? Antworten hoffen Forschende zu finden, indem sie einfache Quantensysteme sehr genau untersuchen. In den letzten Jahren hat eine neue „Familie“ solcher Quantensysteme besondere Aufmerksamkeit erregt: molekulare Wasserstoffionen, die einfachsten aller Moleküle. Ein Mitglied dieser Familie ist das Molekülion HD+. Es besteht aus einem Proton und dem Nuklid Deuteron. Proton und Deuteron sind durch ein einziges Elektron miteinander verbunden. So entsteht ein sehr einfaches Molekül, das einerseits ein Modellsystem für komplexere Moleküle darstellt, andererseits ein perfektes System für Grundlagenuntersuchungen zu den Eigenschaften des Elektrons, des Protons und des Deuterons und ihrer Wechselwirkungen ist. Die Helmholtz-Preisträger von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf nutzten es, um eine neuartige Hochpräzisionsspektroskopie-Methode zu entwickeln und zu testen, die nun für weitere Molekülionen eingesetzt werden kann. Sie konnten auch die Präzision einiger Facetten der Fundamentalphysik erhöhen.

Den allermeisten Molekülionen ist gemeinsam, dass man sie nur mit großem Aufwand direkt mit Laserstrahlen kühlen kann. Aber es lohnt sich, diese Schwierigkeit zu überwinden, denn die Präzisionsspektroskopie an Molekülionen verspricht Erkenntnisse, die komplementär zu denen an Atomen und neutralen Molekülen sind. Die Forscher der Uni Düsseldorf wagten sich Anfang der 2000-er Jahre als erste Gruppe weltweit in dieses Forschungsgebiet. Sie verfolgten den Ansatz, in einer Ionenfalle zwei Ensembles von Ionen unterschiedlicher Sorte zu speichern: eines aus Molekülionen und eines aus atomaren Ionen. Die atomaren Ionen werden lasergekühlt (wie es auch in optischen Atomuhren und Ionenfallen-basierten Quantencomputern geschieht) und kühlen durch elektrische Wechselwirkung die Molekülionen. Durch dieses Herunterkühlen ist die Bewegung der Molekülionen sehr stark verlangsamt, und ihre Eigenschaften können dann mit hoher Genauigkeit vermessen werden. Es handelt sich um eine indirekte, aber dennoch genaue Messmethode.

In der preisgekrönten Arbeit hat die Gruppe mit dieser Methode gleich vier wichtige Fortschritte erzielt: Erstens haben sie das Proton-Deuteron-Elektron-Massenverhältnis (also eine Kombination dreier Naturkonstanten) mit bisher höchster Genauigkeit bestimmt. Zweitens demonstrieren sie einen zehnmal genaueren Test der Niederenergie-Quantenphysik, der eine Bewegung von Baryonen einbezieht. Drittens zogen sie eine schärfere Grenze für die Stärke einer hypothetischen fünften Kraft zwischen Proton und Deuteron. Und viertens gelang ihnen die erste Demonstration eines molekularen elektrischen Quadrupol-Übergangs ohne Doppler-Verbreiterung, wobei eine 40 000-mal höhere spektroskopische Güte als bisher erreicht wurde.

Helmholtz-Preis 2022, Kategorie „Präzisionsmessungen in der Grundlagenforschung“
Dr. Soroosh Alighanbari, Dr. Gouri Shankar Giri, Ivan Kortunov, Magnus Roman Schenkel, Prof. Dr. Stephan Schiller für ihre Arbeit „Genauste Bestimmung eines fundamentalen Massenverhältnisses und neuartige Tests der Fundamentalphysik mit dem HD+ Molekül mittels einer neuen Technik für die Präzisionslaserspektroskopie von Ionen“

Die wissenschaftliche Veröffentlichung
I. V. Kortunov, S. Alighanbari, M. G. Hansen, G. S. Giri, V. I. Korobov, S. Schiller: Proton–electron mass ratio by high-resolution optical spectroscopy of ion ensembles in the resolved-carrier regime. Nature Physics 17, 569–573 (2021)

Ansprechpartner
Dr. Soroosh Alighanbari, Institut für Experimentalphysik, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 40225 Düsseldorf, Telefon: (0211) 811-2465, E-Mail: soroosh.alighanbari(at)hhu.de