HELMHOLTZ-PREIS 1987 (Preisverleihung am 14.05.1987)
Dr. Sergio N. Erné, Prof. Dr. Manfried Hoke für die Arbeit „Auditorisch evozierte Hirnstamm-Magnetfelder, ausgelöst durch Stimulation mit kurzen Tonimpulsen“

Preisträger 1987: Hirnstamm-Magnetfelder erstmals gemessen

Sergio Nicola Erné (li.), 1944 in Venedig geboren, studierte Physik an der Universität Padua, wo er 1969 promovierte. Er ging 1972 zur PTB Berlin und leitete dort von 1987 bis 1992 das Labor für Biomagnetismus. Bis 2005 war er an der Universität Ulm Leiter der Abteilung für Biosignale und Bildgebungstechnologie und an der Universität Chieti in Italien Co-Direktor des „Istituto di Tecnologie Avanzate Biomediche“. Von 2006 bis 2009 war er an der Universität Jena Leiter des Fachbereichs „Biosignale und Bildgebungstechnologien“ der Neurologischen Klinik. Von 2006 bis 2015 war er Technischer Leiter und Geschäftsführender Gesellschafter der BMDSys Production GmbH in Günzburg, die Systeme für die klinische Anwendung der Magnetfeldbildgebung insbesondere in der Kardiologie entwickelt hat.

Manfried Hoke (re.) wurde 1933 in Meißen geboren, studierte in Jena Physik und Medizin und setzte in Hamburg sein Medizinstudium fort. Dort wurde er 1960 in Medizin promoviert. 1963 ging er an die Universität Münster, wo er 1973 habilitierte und 1977 auf eine Professur berufen wurde. Ab 1986 leitete er das Institut für Experimentelle Audiologie an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität Münster. 1998 ging er in den Ruhestand, 2006 ist er verstorben.

Der Helmholtz-Preis wurde 1987 zum ersten Mal für eine Arbeit im Bereich „Physikalische Messtechnik in Medizin, Strahlen- und Umweltschutz“ vergeben. Er ging an Dr. Sergio N. Erné von der PTB Berlin und Prof. Dr. Manfried Hoke von der Universität Münster für ihre Arbeit „Auditorisch evozierte Hirnstamm-Magnetfelder, ausgelöst durch Stimulation mit kurzen Tonimpulsen“. Ihnen war es gelungen, Magnetfelder von nur einigen Femto-Tesla (10–15 Tesla) zu messen, die im Hirnstamm durch akustische Anregung erzeugt worden waren. Dies waren die schwächsten biomagnetischen Signale, die man bis dahin gemessen hatte.

Die elektrischen Aktivitäten der Zellen und Organe des menschlichen Körpers verursachen Magnetfelder, deren Nachweis einen direkten und berührungslosen Einblick in das Körperinnere ermöglicht. Dies ist insbesondere für die Neurologie interessant, die damit ein diagnostisches Hilfsmittel z. B. für die Erforschung der Epilepsie erhält. So bemühten sich Mitte der 1980-er Jahre Forscher in den USA, allerdings vergeblich, durch akustische Stimulation im Hirnstamm hervorgerufene Magnetfelder zu messen. Diese Magnetfelder erwiesen sich als so schwach, dass sie nur, nach Ausschaltung aller magnetischen Störfelder durch aufwendige Abschirmtechniken, mit Hilfe von extrem empfindlichen SQUID-Magnetometern gemessen werden konnten.

An der PTB Berlin hatten Sergio Erné und seine Mitarbeiter eine magnetische Abschirmkammer und ein besonders empfindliches Magnetometer gebaut, die er und Manfried Hoke bei ihren Messungen an Probanden benutzten. Die Probanden waren normal hörende junge Frauen, die in der Kammer saßen. Eine Sequenz von etwa 4 ms langen elektrischen Pulsen mit einer Frequenz von 1 kHz wurde auf einen außerhalb der Kammer befindlichen Kopfhörer gegeben. Die von diesem erzeugten akustischen Signale wurden durch einen Plastikschlauch in die Kammer geleitet und den Probanden so zu Gehör gebracht. Die Komponente des im Gehirn evozierten Magnetfeldes, die senkrecht zum Schädel des jeweiligen Probanden stand, wurde mit einem SQUID-Magnetometer auf der Kopfoberfläche an bestimmten Punkten des Hinterkopfs in der parieto-occipitalen Region aufgenommen.

Gleichzeitig zu den magnetischen Messungen wurden auch konventionelle elektrische Messungen der akustisch hervorgerufenen Hirnstammpotentiale durchgeführt. Nach Filterung und Digitalisierung der aufgenommenen Signale zeigt es sich, dass die magnetischen Signale mit bestimmten Komponenten der akustisch evozierten Hirnstammpotentiale zeitlich perfekt übereinstimmten. Es war damit gelungen, anhand von Magnetfeldern räumlich aufgelöst Vorgänge im Innern des Hirnstamms zu beobachten.

In den folgenden Jahren nahm die Magnetoenzephalographie einen enormen Aufschwung, an dem Manfried Hoke entscheidend beteiligt war. Mit ihr lassen sich u. a. Hirnareale lokalisieren, die epileptische Anfälle auslösen. Sergio Erné hat u. a. die magnetischen Signale des peripheren Nervensystems untersucht. Darüber hinaus hat er die Möglichkeiten der Magnetfeldbildgebung zum Beispiel zur Untersuchung des schlagenden menschlichen Herzens erforscht und entsprechende Geräte entwickelt und bis zur Industriereife für die Kliniknutzung gebracht.

Literatur

S. N. Erné und M. Hoke: Auditorisch evozierte Hirnstamm-Magnetfelder, ausgelöst durch Stimulation mit kurzen Tonimpulsen. PTB-Mitteilungen 97, (1987), 365