Das lösungsmittelfreie Lackieren mit Pulverlacken wird wegen seiner Wirtschaftlichkeit und seiner hervorragenden Lackierergebnisse vielfältig eingesetzt, u. a. in der Haushaltsgerätefertigung und in der Automobilproduktion. Bei diesem Verfahren wird ein Gemisch aus Luft und Lackpartikeln, die durch eine Hochspannung elektrisch aufgeladen werden, von einem elektrostatischen Feld auf das zu lackierende Werkstück gelenkt. Das beschichtete Werkstück wird anschließend in einem Ofen erhitzt, so dass die Pulverteilchen schmelzen und eine gleichmäßige Lackschicht bilden.
Wenn das leicht entzündliche Pulverlack-Luft-Gemisch in der Sprühpistole an der Hochspannungselektrode vorbeifliegt, muss sichergestellt sein, dass eventuell auftretende elektrische Entladungen von der Elektrode keine Explosion auslösen. Früher erfolgte dies durch eine Zündprüfung der Sprühpistole in einem explosionsfähigen Methan-Luftgemisch, heute wird die Entladeenergie weltweit nach einem Vorschlag von Ulrich von Pidoll mit einer speziellen Elektrode, die an ein Oszilloskop angeschlossen ist, rein elektrisch bestimmt. Die Betriebssicherheit der Sprühpistole ist gewährleistet, wenn deren maximal mögliche Entladeenergie niedriger ist als die Mindestzündenergie aller in der Praxis verwendeten Pulverlacke.
Hierzu bestimmten Dr. Ulrich von Pidoll und Dr. Helmut Krämer von der PTB die Mindestzündenergie einer großen Zahl von unterschiedlichen Pulverlacken und untersuchten systematisch, von welchen physikalischen und chemischen Eigenschaften der Pulverlacke sie abhing. Sie konnten eine allgemeingültige Formel entwickeln, mit der sich die Mindestzündenergie von jeglichen Pulverlacken hinreichend genau berechnen lässt. Für diese Arbeit wurden sie mit dem Helmholtz-Preis 1993 im Bereich „Physikalische und Chemische Sicherheitstechnik“ ausgezeichnet.
Bei den Experimenten wurde das zu untersuchende Pulver unter einem Druck von 20 bar mit Luft durch eine Ringdüse in ein zuvor evakuiertes Zündgefäß eingeblasen. In diesem explosionsdruckfesten Kugelgefäß bildete sich eine gleichmäßig verteilte Pulverwolke. Danach wurde mit einer Drei-Elektroden-Funkenstrecke im Zündgefäß ein Zündfunke von variabler Energie erzeugt und der Minimalwert der Funkenenergie gemessen, der gerade noch ausreichte, das Pulver-Luft-Gemisch zu entzünden.
Ein wesentliches hierbei zu lösendes Problem bestand darin, dass Pulverlacke nicht aus gleich großen Partikeln bestehen, sondern eine Partikelgrößenverteilung aufweisen. Es musste daher systematisch untersucht werden, wie sich diese Verteilung auf die gemessene Mindestzündenergie auswirkt. Die Experimente ergaben, dass zwei sich nur in der Partikelgrößenverteilung unterscheidende Pulverlacke die gleiche Mindestzündenergie aufwiesen, wenn die spezifische Oberfläche der Pulverteilchen übereinstimmte. Ein Pulverlack aus mittelgroßen Partikeln hat somit die gleiche Mindestzündenergie wie ein Anderer aus großen und kleinen Partikeln, wenn beide Pulverlacke die gleiche spezifische Oberfläche aufweisen.
Die gemessene Mindestzündenergie war umso kleiner, je größer die spezifische Oberfläche war. Ein Pulverlack aus kleinen Partikeln ließ sich also leichter zünden als ein Pulverlack aus größeren Teilchen. Auch spielten die chemische Zusammensetzung und der Anteil nichtbrennbarer Stoffe eine große Rolle. Der absolut niedrigste Wert für die Mindestzündenergie wurde für superfeine Epoxid-Klarlacke gemessen und betrug 1,7 mJ. Die beiden Forscher schlugen vor, diesen Minimalwert bei der Zündprüfung von Sprühgeräten für die Pulverlackierung zugrunde zu legen. Sowohl dieser Wert als auch die erwähnte Formel wurden inzwischen in europäische Normen übernommen.