HELMHOLTZ-PREIS 1996 (Preisverleihung am 15.04.1996)
Dr. Eckhard Krüger, Dr. Wolfgang Nistler, Dr. Winfried Weirauch für die Arbeit „Bestimmung der Feinstrukturkonstanten durch Messung des Quotienten aus Planck-Konstante und Neutronenmasse“

Preisträger 1996: Feinstrukturkonstante neutronisch gemessen

(v. l. n. r.) Eckhard Krüger, geboren 1934 in Preußisch Friedland, studierte Physik in Kiel, London und Freiburg i. Br., wo er 1966 promovierte. Anschließend ging er zur PTB Braunschweig. 1996 trat er in den Ruhestand, 1999 verstarb er.

Winfried Weirauch, 1931 in Aachen geboren, studierte Physik in Aachen und in Göttingen, wo er 1964 promoviert wurde. Er war bis 1969 an der Universität Göttingen und ging anschließend zur PTB Braunschweig. Seit 1996 ist er im Ruhestand.

Wolfgang Nistler, geboren 1940 in Tirschenreuth, studierte von 1960 bis 1966 Physik an der TU München und promovierte dort 1972. Am Garchinger Reaktor der TU München führte er bis 1975 Experimente mit thermischen Neutronen durch. Danach kam er zur PTB Braunschweig an das Labor für Neutronenbeugung, in dem Krüger und Weirauch arbeiteten. Das Neutronenexperiment lief zu dieser Zeit schon am Reaktor der PTB, allerdings noch nicht mit der erfolgreichen Methode. Nach 1996 widmete sich Wolfgang Nistler anderen Problemen der Neutronenphysik. 2003 wurde er pensioniert.

Die Feinstrukturkonstante α bestimmt die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung. Man hat die Größe dieser wichtigen Naturkonstante auf verschiedene Weise ermittelt: anhand der Hyperfeinstruktur myonischer Atome, durch Messung des magnetischen Moments des Protons oder des Elektrons sowie über den Quanten-Hall-Effekt. Auf gänzlich andere Weise ermittelten Dr. Eckhard Krüger, Dr. Wolfgang Nistler und Dr. Winfried Weirauch die Feinstrukturkonstante, indem sie an Neutronen Geschwindigkeitsmessungen durchführten. Die drei an der PTB beschäftigten Physiker wurden für ihre Arbeit mit dem Helmholtz-Preis 1996 im Bereich „Präzisionsmessung physikalischer Größen“ ausgezeichnet.

Die Feinstrukturkonstante α = e2/(2ε0hc) steht in einer einfachen Beziehung zur Elektronenmasse me und zur Rydberg-Konstanten R (die man aus Messungen von Atomspektren sehr genau kennt): α2 = 2hR/(mec). Misst man in einem Experiment sowohl die Wellenlänge λ als auch die Geschwindigkeit v von Neutronen, so erhält man daraus nach der de Broglie-Beziehung: h/mn = λv. Da auch der Quotient von Neutronen- und Elektronenmasse Q = mn/me sehr genau bekannt ist, lässt sich α somit durch Präzisionsmessungen von λ und v sehr genau ermitteln: α2 = (2RQ/c) ∙ (h/mn).

Eckhard Krüger und seine Kollegen maßen am Hochflussreaktor des Instituts Laue-Langevin in Grenoble die Wellenlänge und die Geschwindigkeit von Neutronen und bestimmten daraus den Quotient h/mn mit einer relativen Unsicherheit von 7,7 ∙ 10–8. Ihr Experiment wandelte Fizeaus klassischen Versuch zur Messung der Lichtgeschwindigkeit ab, bei dem ein Lichtstrahl ein mit der Frequenz f rotierendes Zahnrad passiert, von einem weit entfernten Spiegel reflektiert wird und das Zahnrad erneut durchquert. Ändert man kontinuierlich den Abstand zwischen Zahnrad und Spiegel, so variiert die Helligkeit des zurückkommenden Lichts. Wenn der Spiegel zwischen zwei Helligkeitsmaxima um ΔL verschoben wurde, so beträgt die Lichtgeschwindigkeit v = 2fΔL.

Die drei Forscher ließen spinpolarisierte Neutronen eine spezielle Magnetspule anstelle eines Zahnrades passieren, die die Spinrichtung der Neutronen mit einer Frequenz f = 750 kHz periodisch veränderte. Die Neutronen trafen auf einen Siliziumkristall, der durch Bragg-Reflexion nur solche Neutronen zurückwarf, die eine bestimmte, sehr genau bekannte Wellenlänge λ von etwa 0,25 nm hatten. Diese Neutronen passierten die Spule erneut und trafen auf einen Heuslerschen Kristall, der die Neutronen je nach ihrer Spinrichtung unterschiedlich gut reflektierte. Schließlich maß ein Detektor die Intensität des reflektierten Neutronenstrahls. Diese Intensität änderte sich periodisch, wenn der Abstand zwischen der Spule und dem Siliziumkristall verändert wurde. Die Abstandsdifferenz ΔL für aufeinanderfolgende Intensitätsminima maßen die Forscher durch Laserinterferometrie.

 Nach Fizeaus Formel erhielten sie die Geschwindigkeit v der Neutronen. Aus λ und v berechneten sie h/mn und daraus schließlich die Feinstrukturkonstante α. Sie erhielten den reziproken Wert 1/α = 137,036 010 8, der eine relative Unsicherheit von 3,9 ∙ 10–8 hatte, was mit den Unsicherheiten der auf andere Weise ermittelten damaligen Werte für 1/α vergleichbar war. Das Experiment wurde 1996 abgeschlossen, da eine wesentliche Verkleinerung der Messunsicherheit mit dieser Messmethode nicht möglich war. Der heute anerkannte Wert für 1/α ist 137,035 999 11 mit einer Unsicherheit von 3,3 ∙ 10–9.

Literatur

Eckhard Krüger et al.: Bestimmung der Feinstrukturkonstanten durch Messung des Quotienten aus Planck-Konstante  und Neutronenmasse. PTB-Mitteilungen 106, (1996), 393

Wolfgang Nistler, Winfried Weirauch: Mit Neutronen zur Feinstrukturkonstanten. Physik in unserer Zeit 33, (2002), 10