HELMHOLTZ-PREIS 1999 (Preisverleihung am 27.03.1999)
Dr. habil. Fritz Riehle, Dr. Harald Schnatz, Tilmann Trebst, Dr. Jürgen Helmcke für die Arbeit „Atominterferometrie im Zeitbereich für Präzisionsmessungen“

Preisträger 1999: Atominterferometer als Frequenzstandard

(v. l. n. r.) Jürgen Helmcke, geboren 1938 in Hannover, studierte Physik in Braunschweig und wurde dort 1972 zum Dr.-Ing. promoviert. Anschließend trat er in die PTB Braunschweig ein. 1977-1978 forschte er bei dem späteren Physik-Nobelpreisträger John Hall am JILA in Boulder, Colorado. 1978 wurde er Leiter des Labors „Längeneinheit“, 1989 übernahm er die Leitung des Fachbereichs „Quantenoptik und Längeneinheit“, die er bis zu seiner Pensionierung 2003 innehatte.

Tilmann Trebst, 1968 in Göttingen geboren, studierte Physik in Bonn und Sydney. In der PTB arbeitete er von 1995 bis 1999 als Doktorand in der Gruppe von Fritz Riehle. 1999 promovierte er in Hannover. 2012 gründete er die Firma LifePhotonic.

Harald Schnatz wurde 1957 in Nassau an der Lahn geboren. Er studierte Physik in Mainz und wurde dort 1986 promoviert. Von 1987 bis 1989 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Lasermedizin der Universität Düsseldorf. 1989 kam er zur PTB Braunschweig, wo er im Labor „Längeneinheit“ tätig war, dessen Leiter er 2004 wurde. Seit 2012 leitet er den Fachbereich „Quantenoptik und Längeneinheit“.

Fritz Riehle, 1951 in Zell am Harmersbach geboren, studierte Physik in Karlsruhe, wo er 1977 promovierte und 1981 habilitierte. 1982 ging er zur PTB Berlin und leitete dort bis 1987 die Arbeitsgruppe „Grundlagenradiometrie“ im PTB-Labor bei BESSY. Er erhielt 1987 den Helmholtz-Preis zum ersten Mal. Im selben Jahr kam er zur PTB Braunschweig, wo er von 1989 bis 2000 das Labor „Längeneinheit“ leitete. Bis zu seiner Pensionierung 2015 war er Leiter der Abteilung „Optik“ in der PTB.

Nach den Gesetzen der Quantenmechanik bewegen sich die Atome wie Wellen mit einer charakteristischen de Broglie-Wellenlänge λ = h/p, wobei h die Planck-Konstante und p der atomare Impuls ist. Für eine Geschwindigkeit von z. B. 700 m/s liegt λ in der Größenordnung von 10 pm. Dank dieser extrem kurzen Wellenlängen lassen sich durch Interferenz atomarer Wellen sehr präzise Messungen durchzuführen.

Indem sie den Wellencharakter von Kalziumatomen nutzten, realisierten Dr. habil. Fritz Riehle, Dr. Harald Schnatz, Dipl.-Phys. Tilmann Trebst und Dr. Jürgen Helmcke von der PTB Braunschweig ein optisches Frequenznormal mit zuvor unerreichter Güte. Damit gelang es ihnen, die Frequenz und Wellenlänge eines Lasers mit einer relativen Unsicherheit von 10–13 konstant zu halten und zu messen. Für ihre Arbeit „Atominterferometrie im Zeitbereich für Präzisionsmessungen“ wurden die vier Forscher mit dem Helmholtz-Preis 1999 im Bereich „Präzisionsmessung“ ausgezeichnet, der mit 12.000 DM dotiert war.

Das von Jürgen Helmcke und seinen Kollegen entwickelte Atominterferometer verwendete einzelne Kalziumatome, die mit Laserlicht gekühlt und anschließend in einer magnetooptischen Falle gefangen wurden. Nach dem Abschalten der Falle wurde solch ein Atom mit einem Laserpuls bestrahlt. Dabei absorbierte es mit 50 % Wahrscheinlichkeit ein Photon, wobei es vom Grundzustand in einen langlebigen angeregten Zustand überging. Da sich der Impuls des Atoms durch die Absorption des Photons änderte, teilte sich das atomare Wellenpaket in eine angeregte und eine nichtangeregte Teilwelle, die sich in unterschiedliche Richtungen bewegten.

Nach Wartezeiten von jeweils etwa 100 µs wurde das Atom von zwei weiteren Laserpulsen getroffen, was dazu führte, dass die beiden Teilwellen sich nach dem zweiten Puls wieder aufeinander zu bewegten und beim dritten Puls miteinander interferierten. Das Interferenzsignal war durch die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass das Atom im angeregten Zustand detektiert wurde, was anhand seines Fluoreszenzleuchtens geschah. Aus dem Interferenzsignal ließ sich der Phasenunterschied der beiden Teilwellen ermitteln, der u. a. davon abhing, wie gut der Laser auf die Anregungsfrequenz des Atoms abgestimmt war. Dadurch dass die Forscher den Phasenunterschied konstant hielten, konnten sie die Laserfrequenz mit sehr hoher Präzision stabilisieren.

Die relative Unsicherheit der Frequenz schätzten sie zu 2,5 ∙ 10–13 ab. Im Verlauf von zweieinhalb Jahren wichen die Messungen der Frequenz eines Farbstofflasers, der mit dem Atominterferometer stabilisiert wurde, um weniger als 90 Hz voneinander ab, was einem relativen Frequenzunterschied von 10–13 entsprach. Die hohe Frequenzstabilität solcher Laser hoffte man, für noch genauere Atomuhren zu nutzen, während ihre entsprechend hohe Wellenlängenstabilität diese Laser zu den damals genauesten Längennormalen machte. Da der Phasenunterschied der beiden interferierenden atomaren Teilwellen auch von der Beschleunigung abhing, die auf die Atome wirkte, ließ sich das Atominterferometer auch zu einem hochempfindlichen Sensor für Beschleunigungs- und Gravitationskräfte machen. Mit solchen Sensoren könnten z. B. Erdöl- oder Erzlagerstätten anhand der lokalen Schwankungen der Erdanziehung aufgespürt werden.

Literatur

F. Riehle et al.: Time–Domain Atom Interferometry for Precision Measurements. Preprint (1999)

F. Riehle et al.: Accuracy of the optical Ca Frequency Standard. Laser Spectroscopy XIV, R.Blatt et al. (eds.), World Scientific, Singapore (1999), 348

T. Trebst et al.: Suppression of Spurious Phase Shifts in an Optical Frequency Standard. IEEE Transactions on Instr. And Measurm. 50, (2001), 535