HELMHOLTZ-PREIS 1999 (Preisverleihung am 27.03.1999)

Uwe Titt, Dr. Volker Dangendorf, Dr. Helmut Schuhmacher für die Arbeit „Messung und Visualisierung der mikroskopischen Ionisationsverteilung von schnellen geladenen Teilchen in Materie“

Preisträger 1999: Wie ionisierende Strahlen wirken

(v. l. n. r.) Volker Dangendorf, 1958 in Siegen geboren, studierte Physik in Siegen und Frankfurt. Nach einem Forschungsaufenthalt am Weizmann Institut in Israel wurde er 1990 in Frankfurt promoviert. 1991 kam er zur PTB Braunschweig, wo er im Bereich „Nanodosimetrie und Detektorentwicklung“ arbeitet.

Helmut Schuhmacher, 1950 in Heidelberg geboren, studierte Physik in Heidelberg und wurde 1981 am Institut für Biophysik der Universität des Saarlandes promoviert. Er kam 1986 zur PTB Braunschweig. Von 1997 bis 2003 leitete er das Labor „Neutronendosimetrie“. Seither war er Leiter des Fachbereichs „Neutronenstrahlung“. 2015 wurde er pensioniert.

Uwe Titt studierte Physik in Frankfurt und schloss sein Studium 1994 mit dem Diplom ab. Er war von 1994 bis 1997 als Doktorand in der PTB Braunschweig beschäftigt. 1999 promovierte er an der Universität Frankfurt. Jetzt hat er eine Professur am Department of Radiation Physics der University of Texas in Houston.

Die Wirkung ionisierender Strahlung auf biologisches Gewebe ist von großem medizinischen und gesellschaftlichen Interesse. Die Strahlenwirkung hängt nicht nur von der an das Gewebe abgegebenen makroskopischen Energiemenge ab, sondern auch von den mikroskopischen Details der Energieübertragung innerhalb der einzelnen Zellen und deren Substrukturen. Die im Strahlenschutz verwendeten Größen, wie z.B. Effektivdosis, dienen nur als grobe Abschätzung für die Strahlenwirkung, für die es keine direkten physikalischen Messverfahren gibt.

Verbesserte Möglichkeiten für die Erforschung der Strahlenwirkung auf Materie und für Anwendungen in Strahlenschutz und Medizin eröffnete ein neuartiges Messinstrument, das Dipl.-Phys. Uwe Titt, Dr. Volker Dangendorf und Dr. Helmut Schuhmacher an der PTB entwickelt hatten. Mit diesem Gerät konnten sie die Ionisationsspuren geladener Teilchen in einem Gas mit hoher räumlicher Auflösung dreidimensional abbilden und analysieren. Für ihre Arbeit erhielten die drei Wissenschaftler den Helmholtz-Preis 1999 für den Bereich „Messtechnik in Medizin und Umweltschutz“.

Das Messinstrument basierte auf einer optisch ausgelesenen Zeitprojektionskammer. Die Strahlung in Form energiereicher Ionen oder Elektronen durchquerte dabei eine zylindrische Messkammer von ca. 1 l Volumen, die mit gasförmigem Triethylamin gefüllt war. Durch die Wechselwirkung der Strahlung mit den Gasmolekülen wurden Gasmoleküle entlang der Flugbahn ionisiert und es entstand eine sogenannte Ionisationsspur aus Ionen und freien Elektronen. Die Elektronen drifteten in einem homogenen elektrischen Feld zu einem Detektionsbereich, in welchem sie zu elektronisch und optisch detektierbaren Signalen vervielfacht und konvertiert wurden. Mit Hilfe einer CCD-Kamera mit vorgeschaltetem Bildverstärker konnte dann ein hochaufgelöstes zweidimensionales Bild der Projektion der Ionisationsspur auf die Abbildungsebene gewonnen werden. Durch Aufzeichnung der zeitlichen Entwicklung des Lichtsignals konnte zusätzlich auch eine grobe dreidimensionale Rekonstruktion der Teilchenspur im Raum erzielt werden.

Auf diese Weise untersuchten die Forscher die Ionisationsspuren von Protonen, Deuteronen, Alpha-Teilchen und verschiedenen schwereren Ionen bei unterschiedlichen Einschussenergien. Die räumliche Auflösung der Ionisationsspuren in der Projektionsebene betrug etwa 2,7 mm und war im Wesentlichen durch die Diffusion der Ionisationselektronen bei ihrem Transport zur Detektionsebene definiert. Die in dem Gas gemessenen Abstände werden in der Mikro- und Nanodosimetrie über einen Faktor umgerechnet, der bei gleichem Massenbremsvermögen beider Medien dem Dichteverhältnis des biologischen Gewebes zum Gas entspricht. Bei einem typischen Dichteverhältnis von 25000 entsprachen die im Gas erzielten 2,7 mm einer Auflösung von ca. 110 nm im Gewebe. Da die mikroskopische Energiedeposition innerhalb einer biologischen Zelle der Hauptgrund für unterschiedliche Strahlenwirkung verschiedener Strahlungsarten ist, wurde mit diesem Instrument eine Verbesserung der Methoden zur messtechnischen Bestimmung der Strahlenwirkung in biologischem Gewebe erreicht, von der man sich auch eine Verbesserung der Metrologie im Bereich des Strahlenschutzes und der Strahlentherapie versprach.

In der Folgezeit wurde das Verfahren mit einer noch etwa dreifach höheren räumlichen Auflösung bei Untersuchungen zur Strahlenwirkung von Kohlenstoffionen und schwereren Ionen im Rahmen einer Kollaboration mit dem Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt eingesetzt. Diese Messungen dienten insbesondere der experimentellen Verifikation der an der GSI entwickelten Modelle zur Bestimmung der für die Bestrahlungsplanung wichtigen Größe der relativen biologischen Wirksamkeit von Kohlenstoffionen in der Tumortherapie. Dabei handelt es sich um eine neue Bestrahlungsmodalität, die an der GSI federführend entwickelt und zwischenzeitlich klinisch eingeführt wurde.

Literatur

U. Titt, V. Dangendorf, H. Schuhmacher: Messung und Visualisierung der mikroskopischen Ionisationsverteilung von schnellen geladenen Teilchen in Materie. (Unveröffentlicht, 1999)

U. Titt et al.: Development and application of an optical TPC for charged particle track structure imaging in microdosimetry. Nucl. Instrum. Meth. A 477, (2002), 536