Der Helmholtz-Preis 2020 für „Präzisionsmessungen in der Grundlagenforschung“

Dr. Christian Sanner (PTB, jetzt am JILA in Boulder, CO, USA), Dr. Nils Huntemann und Richard Lange (beide PTB) für ihre an der PTB durchgeführte Arbeit „Einzel-Atom Spektroskopie mit achtzehnstelliger Genauigkeit zur Symmetrie-Vermessung der Raumzeit“

Preisträger 2020: Präzisionsmessungen in der Grundlagenforschung

Die Preisträger aus der PTB: C. Sanner, N. Huntemann, R. Lange

Das Team aus der PTB hat sich mit einer grundlegenden Frage der Physik befasst. Es ist eine Grundannahme von Einsteins Spezieller Relativitätstheorie, dass die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Ausbreitungsrichtung immer gleich ist. Nun kann man fragen: Wie universell ist diese nach Hendrik Antoon Lorentz benannte Symmetrie des Raumes gewahrt, gilt sie auch genauso für die Bewegung materieller Teilchen, oder gibt es Richtungen, entlang derer sie sich bei gleicher Energie schneller oder langsamer bewegen? Insbesondere für hohe Energien der Teilchen sagen theoretische Modelle, die eine vereinheitlichte Beschreibung der Welt des Kleinsten, der Quanten, und der Schwerkraft, der Gravitation, ermöglichen sollen (Quantengravitation) eine Verletzung der Lorentz-Symmetrie vorher. Dank ihrer einzigartigen Präzision bietet die Untersuchung der Wechselwirkung von Licht mit Atomen, die optische Spektroskopie atomarer Übergänge, die Möglichkeit, Annahmen und Vorhersagen der Relativitätstheorie experimentell zu testen. Im Jahr 2016 konnten die PTB-Physiker eine Uhr vorstellen, die auf dieser Wechselwirkung hochpräziser Laser mit einem bestimmten Atom (Ytterbium-Ion 171Yb+) beruht und eine relative Genauigkeit von 3 · 10-18 erreicht: hätte man diese Uhr beim Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren gestartet, würde sie heute eine Sekunde falsch gehen. Zwei in unterschiedlichen Raumrichtungen orientierte Versionen dieser optischen Yb+-Uhr finden in der jetzigen Arbeit Anwendung, um die Lorentz-Symmetrie und insbesondere die Isotropie der Raumzeit – einfach ausgedrückt, physikalische Gesetze sind nicht richtungsabhängig – mit bisher unerreichter Präzision zu vermessen.

In einem Lorentz-symmetrischen Universum, wie es die Relativitätstheorie annimmt, muss ein physikalisches Experiment immer dasselbe Ergebnis liefern, unabhängig von seiner räumlichen Orientierung oder gleichmäßigen Bewegung. Aber bleibt diese Symmetrie bis an die Grenze des mit den Yb+-Uhren Messbaren gewahrt? Die schon vor über hundert Jahren mit dem Michelson-Morley-Experiment begonnene Tradition fortführend, gelang es Christian Sanner, Nils Huntemann und Richard Lange, die bislang besten Anisotropie-Limits um zwei weitere Größenordnungen nach unten zu verschieben. Quasi nebenbei – aber nicht weniger bedeutend – bestätigt ihr Langzeitvergleich die extrem geringe systematische Messunsicherheit der beiden optischen Ytterbiumuhren von weniger als 4 · 10–18. Die Ergebnisse wurden in Nature veröffentlicht.